Dieses Gefühl kennt wohl jeder: Muskelkater. Doch kommen die Schmerzen nach einem intensiven Training wirklich nur von überlasteten Muskeln? Die Forschung hat einen neuen Ansatz: Sie geht davon aus, dass es auch Faszienkater gibt.
Das schmerzende Gefühl nach einer hohen Belastung sorgt dafür, dass die betroffenen Bereiche der Muskulatur nicht mehr ihrer „normalen“ Arbeitsweise nachkommen können, was sich vor allem bei exzentrischen Bewegungen wie dem Treppenablaufen zeigt.
Die Forschung geht davon aus, dass es auch Faszienkater gibt.
Viele Theorien zum Muskelkater
Wie bereits angedeutet, hat sich das Verständnis vom Muskelkater im Laufe der Zeit immer wieder gewandelt. Zu den ersten (und mittlerweile überwundenen) Theorien gehört die Laktat-Theorie. Muskelkater soll genau dann entstehen, wenn sich viel Laktat (Milchsäure) im Muskel angesammelt hat. Die Probleme in den trainierten Muskeln treten im Normalfall aber erst ein bis zwei Tage nach dem Training auf und Laktat hat gerade mal eine Halbwertszeit von 20 Minuten im Muskel, was diese Theorie sehr unwahrscheinlich macht.
Hinzu kommt, dass bei Krafttraining oftmals nicht so viel Laktat aufgebaut wird, wie z.B. bei einem Mittelstreckenläufer, wo schon mal Konzentrationen von 20 mmol /l gemessen werden können. Eine weitere Theorie bringt das Entstehen von Muskelkater mit freien Radikalen in Verbindung, die durch das Training freigesetzt werden sollen. Aber selbst, wenn man in Laborversuchen versuchte, das Radikallevel im Muskel zu senken, verschwanden die Schmerzsymptome nicht.
Die allgemeine Lehrtheorie in der Sportwissenschaft zur Entstehung des Muskelkaters geht von Mikrorissen in der Muskulatur aus. Diese entstehen durch Reize, denen die Muskeln bei hartem Training ausgesetzt werden. Die Risse findet man in den kleinsten Bauteilen unserer Muskulatur, den sogenannten Sarkomeren. Diese bestehen aus Aktin-, Myosin- und Titin-Filamenten und sind durch sogenannte Z-Scheiben voneinander abgetrennt. Betrachtet man von Muskelkater betroffenes Gewebe unter dem Elektronenmikroskop, dann können Risse an den Z-Scheiben nachgewiesen werden. Durch diese Erkenntnis war das Mysterium um den „Kater“ nach dem Training vorerst einmal gelöst.
Experiment zum Faszienkater
Durch die sich in den letzten Jahren intensivierende Faszienfoschung werden nicht nur neue Erkenntnisse rund um das Bindegewebe des Menschen gewonnen, sondern auch für das Training. So auch beim Muskelkater. Noch bessere Mikroskopiertechniken zeigen zwar, dass die Z-Scheiben bei Muskelkater eingerissen sind, sie zeigen aber auch, dass das Fasziengewebe um den Muskel deutlich stärker belastet ist. Da im Fasziengewebe auch viele Schmerzrezeptoren liegen, scheint es naheliegend, dass aus dem Muskelkater ein Faszienkater wird. Diese Erkenntnis sollte durch ein Experiment bewiesen werden, das wie folgt aussah: Durch wiederholtes Auf- und Absteigen auf einen Kasten wurde bei einer Gruppe von Probanden Muskelkater erzeugt. Damit die Forscher erkennen können, wo der Schmerz tatsächlich entsteht, spritzten sie den Versuchspersonen Salzlösung. Bei der einen Gruppe in den Muskel und bei der anderen in die Faszie. Beide Gruppen hatten Muskelschmerzen. Nur eine hatte stärkere als die andere. Welche war das wohl? Genau, diejenige, die eine Salzlösung in die Faszie gespritzt bekommen hatte.
Das richtige Training der Faszien kann spätere Schmerzen verhindern.
Das allein ist natürlich noch kein sicherer Nachweis. Es zeigt aber, dass das Fasziensystem als Entstehungsort für den Muskelkater oder eher Faszienkater ernst genommen werden sollte. Denn bisher scheint nur klar zu sein, dass die Faszie irgendwie betroffen ist, nicht aber in welcher Form. Seien es nun kleine Risse,
Entzündungen oder stärkere Schmerzwahrnehmung. Der Faszienkater wird aber definitiv noch weiter untersucht werden müssen.
Und nach dem Training?
Einige Tage nach der Belastung verschwinden die Schmerzen wieder und der Körper schützt sich durch Anpassungsreaktionen vor dem Faszienkater. Wie vermutlich bereits jeder von uns schon einmal festgestellt hat, tritt der Kater zeitlich verzögert ein. Dafür sorgen die Risse in der Muskulatur/Faszie, durch die Wasser ins Gewebe dringt. Dieses spült Entzündungsstoffe aus, die auf Schmerzrezeptoren treffen und Schmerzen verursachen. Das geschieht etwa zwölf bis 24 Stunden nach der Belastung.
Fazit zum Faszienkater
Nach wie vor ist nicht endgültig geklärt, was Muskelkater ist und wie er entsteht. Die Faszienforschung liefert einen neuen durchaus nachvollziehbaren und denkbaren Ansatz. Dennoch: Der Faszienkater wird noch weiter erforscht werden, damit er verstanden und ernst genommen werden kann. Was nun tatsächlich korrekt ist, wird große Auswirkungen auf die Behandlung von Muskelkater haben. Vor Angst, Muskelrisse zu vergrößern und den Muskelkater zu verlängern, wird bei der Mikroriss-Theorie von Massagen abgeraten und leichte Bewegung und vor allem Abwarten empfohlen. Handelt es sich tatsächlich aber um Faszienkater, dann sind eher Faszienmobilisation und Foam Rollin die Mittel der Wahl. Nach wie vor ist nur eines klar: Bis wir wirklich wissen, was den Muskelkater auslöst, wird es noch ein bisschen dauern.
Quelle: IST
Veröffentlicht am: 21. Januar 2016