Viele Qualifikationen und Mitarbeiterprofile sind aktuell zu wenig verfügbar. Seit der Corona-Krise ist es insbesondere für Fitnessstudios immer schwieriger geworden, ausreichend Personal zu finden – auch, weil viele Unternehmen der Fitnessbranche heute wieder expandieren. Dennoch scheinen aktuell vermeintlich „sicherere“ Branchen attraktiver.
So ist die Lage am Arbeitsmarkt
In der Corona-Pandemie hat sich bereits im Jahr 2020 die Mitarbeiterzahl in der deutschen Fitness- und Gesundheitsbranche um 40.500 auf 176.900 reduziert (DSSV-Eckdaten). Das entspricht einem Rückgang um 18,6 Prozent. Von dieser Entwicklung hauptsächlich betroffen sind Honorarkräfte und geringfügig Beschäftigte.
In diesem Jahr sind viele Stellen vakant, insbesondere in den Fitnessstudios selbst: Fitnesstrainer, Studioleiter, Duale Studenten, Sportwissenschaftler. So sind alleine bei „Joborama“ im Dezember 2021 knapp 900 Stellen in Fitnessstudios ausgeschrieben. Die Jobbörse ist unter anderem auf die Bereiche Fitness, Health & Wellness spezialisiert. Das Arbeitsfeld Fitness ist eines mit guten Aussichten.
Es wird gesucht
Wachsende Unternehmen wie die Studiokette FitX haben einen besonders hohen Bedarf. Aktuell sind hier rund 200 Stellen ausgeschrieben. „Ein kleiner Teil davon ist für unsere Headquarter in Essen und Berlin, da suchen wir zum Beispiel in den Bereichen Bau und IT. Der Großteil der freien Stellen ist natürlich in der Studiowelt. Da geht es vor allem um Kursleiter:innen und Fitnesstrainer:innen, aber auch Servicekräfte, mit unterschiedlichen Stundenzahlen. Viele der offenen Stellen sind unserer fortschreitenden Expansion geschuldet“, so Markus Vancraeyenest, FitX-Geschäftsführer.
Auch in der europäischen Fitnessbranche wird eingestellt. So hat beispielsweise die Studiokette Basic-fit mit ihren Niederlassungen in den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Frankreich und Spanien in der Regel offene Stellen im dreistelligen Bereich. Je nach Region schwankt die Anzahl der Bewerber.
Ursache Corona
Einkommensausfälle in Folge der Pandemie, Unsicherheiten aufgrund der Kontakte zu den Mitgliedern, die Wahrnehmung der Branche als Arbeitgeber, Arbeitszeiten am Abend und Wochenende sowie Verdienstmöglichkeiten: Es gibt viele individuelle Gründe, warum es zu wenig Arbeitskräfte gibt. Den größten Anteil hat sicherlich die Folgen des Lockdowns.
Für Florian Kündgen, Geschäftsführer des DSSV liegen die Gründe für den Rückgang am Arbeitsmarkt Fitness klar in der Corona-Krise. „Bis 2020 konnte unsere Branche ein stetiges Wachstum in sämtlichen Bereichen vorweisen. Auch der Blick auf den Arbeitsmarkt zeigt, dass – vor allem – auf qualifizierte Mitarbeiter gesetzt wurde. D.h. auch die Zahlen der Studienanfänger stieg von Jahr zu Jahr bzw. die Absolventen wurden stets übernommen. Aufgrund der Krise zeigt sich ganz klar, dass die Anzahl an Honorarkräften und Minijobbern stark abgenommen hat. Aufgrund der Beschäftigungsverhältnisse können sich Arbeitgeber von diesen Mitarbeitern einfacher trennen als von Mitarbeitern in anderen Beschäftigungsverhältnissen.“
Verunsicherung seitens der Arbeitnehmer
Eine Einschätzung, die Markus Vancraeyenest, FitX-Geschäftsführer, klar bestätigt: „Die Fitnessbranche war extrem von den Lockdowns betroffen. Auch wenn unsere Mitgliederzahlen sich wieder auf einem stabilen Niveau befinden und wir einen guten Zuwachs an neuen Mitgliedern verzeichnen konnten, herrscht trotzdem noch Verunsicherung bei der Wahrnehmung von Fitnessstudios als Arbeitgeber. Wir konnten sehen, dass Mitarbeitende aus der Branche abgewandert sind, in mutmaßlich sicherere andere Geschäftszweige, die weniger von möglichen Lockdowns betroffen sind.“
Ein anderes Arbeiten als zuvor
Zudem habe sich zum Beispiel das Arbeitsfeld der Trainer durch zahlreiche Regularien und Auflagen verändert. Die Corona-Schutzverordnungen umzusetzen bedeutet einen höheren Reinigungsaufwand, Eingangskontrollen, limitierte Teilnehmerzahlen in den Kursen. „Das macht nicht immer Spaß und der eine oder andere sucht sich deswegen eine neue Aufgabe“, so Vancraeyenest weiter. So gehört nicht nur die Verunsicherung über den sicheren Arbeitsplatz zu den Gründen, sondern auch die berufliche Umorientierung. Maxime Moszyk, HR Basic-Fit in Frankreich: „Aufgrund der Pandemie haben viele Menschen ihr Leben in Frage gestellt, auch ihren Arbeitsplatz.“
Zuwachs an Stellen
Auch strukturelle Gründe führen zu weniger Bewerbern. So berichtet Basic-Fit Talent Manager in den Niederlanden Willemijn de Moor von einem angespannten Arbeitsmarkt aufgrund der wachsenden Anzahl an Stellen und einem gut funktionierenden System für Arbeitslose im Land. Zudem sei der GGD, der städtische Gesundheitsdienst ein Akteur, der die gleiche Zielgruppe an Fachkräften anspricht.
So könnten Lösungen aussehen
Vom Employer Branding bis hin zum professionellen Recruitung und der Verbesserung der Arbeitsbedingungen – die Liste möglicher Anpackpunkte für die HR-Manager der Fitnessbranche sind lang. Die Positionierung als attraktiver Arbeitgeber hängt von vielen Faktoren ab. So beschreibt es auch Talent Manager Willemijn de Moor: Verbesserung der Arbeitsbedingungen, Employer Branding durch die die engere Verzahnung von Personal- und Marketingabteilung, Einstellung von Mitarbeitern nach Qualifikation und weniger nach Erfahrung, Schulung der Recruiter, echte Offenheit für alle und datengesteuerte Personalarbeit.
Die Rahmenbedingungen
Sicherlich gehören die Rahmenbedingungen, Entlohnung und Arbeitszeiten, zu den wichtigsten Faktoren. Wenn es in der Corona-Krise verständlicherweise nicht gleich klappt mit einem höheren Gehalt, so können aber Perspektiven aufgezeigt werden. Klar ist jedoch: Wenn das Unternehmen ins Straucheln geraten ist, sind höhere Gehaltsforderungen utopisch.
An dieser Stelle kommt auch der Staat ins Spiel. „Zunächst einmal müssen wir schauen, dass die weiterführenden Hilfspakete (Ü3 Plus, Ü IV, Kurzarbeitergeld) als Schutzschild vor Insolvenzen funktionieren“, so Florian Kündgen. „Bei den Überbrückungshilfen gilt es, von Seiten der politischen Entscheider, diese aufzubessern. So muss klar geregelt sein, dass Mitgliedsbeiträge – nicht nur in Schließungszeiträumen – unschädlich für eine Förderung sind. Wir als Verband kämpfen dafür. Darüber hinaus hat die Anerkennung als Gesundheitsdienstleister und die Abkehr von der Klassifizierung als Freizeitdienstleister bei uns oberste Priorität. Wenn dies politisch anerkannt wird, werden Fitness- und Gesundheitsanlagen in Verordnungen auch anders behandelt. Somit würde sich die Branche schneller erholen können.“
Vertrauen in die Branche
Jeder möchte einen sicheren Arbeitsplatz. Bedingt durch die Lockdowns ist die Fitnessbranche diesbezüglich in unruhiges Fahrwasser gekommen. Die Branche muss daher gemeinsam ihre Relevanz und ihre Wachstumsperspektiven aufzeigen. Auch für Markus Vancraeyenest ist das ein wichtiges Thema: „Wir verfolgen verschiedene Strategien, mit denen wir uns aktiv an unsere Mitarbeitenden, aber auch an potentielle Kandidaten wenden. Ziel ist, zu zeigen, dass FitX ein spannender, aber auch sicherer Arbeitgeber ist – wir haben zum Beispiel bis heute niemanden pandemiebedingt entlassen und freiwillig das Kurzarbeitergeld während der Lockdowns aufgestockt. Wir expandieren weiter: In 2022 wollen wir 15 unserer Studios renovieren und zehn neue Standorte eröffnen. Das sind Zahlen, die einfach für sich sprechen.“
Employer Branding nach innen und außen
Das eigene Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber zeigen, darum geht es beim Employer Branding. So soll das eigene Unternehmen auf dem Stellenmarkt als Marke gestärkt werden. Grundlagen sind ein durchdachtes Personalmarketing und Recruiting. Bei beiden spielen sicherlich die Social Media Kanäle eine immer größere Rolle, aber auch die eigene Website, Pressearbeit und Google-Bewertungen. FitX intensiviert hier seine Maßnahmen: „Wir möchten unser Employer Branding und das Personalmarketing breiter aufstellen um uns in Zukunft noch besser zu positionieren – auch in Bereichen, die man nicht direkt mit der Fitnessbranche in Verbindung bringt, wie dem Ingenieurswesen, IT oder Finanzen“, so Markus Vancraeyenest.
Employer Branding betrifft auch die bestehende Belegschaft. Wie können sich Mitarbeiter langfristig mit dem Unternehmen identifizieren? Wie können sie dauerhaft begeistert werden? Für Manuel Baltar von Basic-Fit in Spanien geht es darum ein Gefühl der Zugehörigkeit zu schaffen. Auch Maxime Moszyk, Basic-Fit Frankreich, betont „Wir versuchen, unsere Mitarbeiter durch unsere Unternehmenskultur (Orange Family), Employer Branding, Ausbildung, interne Mobilität und Beförderung (z. B. Cluster Manager) zu binden.“
Fazit
Eine weitere Strategie langfristig stark aufgestellt zu sein, liegt sicherlich auch in der Förderung von Diversität in der Branche – auf allen Ebenen. Die Förderung von Frauen und die Schaffung von besseren Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist dabei nur ein Beispiel. Zudem liegt ein Schlüssel in der Öffnung für Quereinsteiger und gering- bzw. teilqualifizierter Kräfte je nach zu besetzender Stelle.
Am wertvollsten ist es, wenn alle an einem Strang ziehen, um die Fitnessbranche als das spannende und vielfältige Arbeitsfeld mit Zukunftspotential zu präsentieren, das sie ist.
Quelle: FIBO
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Veröffentlicht am: 28. Dezember 2021