Auch wenn es die perfekte Trainingsmethode wahrscheinlich nie geben wird, sind einige mehr oder weniger geeignet. Inwiefern isometrisches Training und plyometrisches Training in Kombination für das Training von Athleten von Vorteil sein kann, erklärt Konstantin Stamm.
Aus der Forschung wissen wir, dass viele athletische Bewegungen durch sehr kurze Bodenkontaktzeiten gekennzeichnet sind. Der Fußkontakt eines Sprinters mit dem Boden beträgt zum Beispiel etwa 0,1 s, während ein einbeiniger Absprung beim Basketball oder im Weitsprung kaum mehr als etwa das Doppelte der Zeit, also etwa 0,14–0,17 s dauert. Daher wird auch zwischen schnellen und langsamen Dehnungsverkürzungszyklen unterschieden. Als „schnell“ gelten Bewegungen dann, wenn die Bodenkontaktzeit weniger als 250 ms beträgt. Zu Bewegungen des schnellen Dehnungsverkürzungszyklus gehören, neben den gerade genannten kontinuierliche Hürdensprünge oder Drop Jumps von geringer Höhe. Zum langsamen Dehnungsverkürzungszyklus zählen etwa komplette Richtungswechsel oder Sprünge mit Vorbewegung (Countermovement Jumps).
Schnelle Krafterzeugung
Die Folge von sehr kurzen Bodenkontaktzeiten z. B. im Sprint ist, dass die Muskulatur nur eine sehr begrenzte Zeit hat, ausreichend Kraft zu erzeugen. Damit diese kurze Zeit optimal genutzt werden kann, müssen die Muskelfaszikel nahe am Plateau der Kraft-Längen-Kurve arbeiten – und dies möglichst über den gesamten Zeitraum des Bodenkontakts – anders formuliert: nahezu isometrisch. Dies ermöglichen die Sehnen, indem sie sich verlängern und verkürzen, sodass ein Teil der gesamten Längenänderung des Muskel-Sehnen-Komplexes (MTU – Muscle-Tendon-Unit) von ihnen übernommen wird. Gleichzeitig speichern sie kinetische Energie während der eigenen Verlängerung und geben diese bei Verkürzung wieder ab (Stretch and Recoil).
Neue Forschungen von Keitaro Kubo – einem der führenden Forscher auf diesem Gebiet – et al. konnten dies gut nachweisen. Sprinter unterschieden sich bei hohen Gelenkgeschwindigkeiten von untrainierten Probanden in ihrer Fähigkeit, eine hohe aktive Muskelsteifigkeit zu erzeugen. Somit bleiben die Sprinter trotz hoher Geschwindigkeit näher am Plateau der Kraft-Längen-Kurve; sie arbeiten isometrisch. Optimale Bedingungen also, um trotz kurzer Bodenkontaktzeiten Kraft durch Muskelarbeit zu erzeugen. Kann diese Steifigkeit nicht erzeugt werden, kommt es zur exzentrischen Verlängerung der Muskulatur bzw. der Faszikel und eine optimale Kraftentwicklung kann nicht gewährleistet werden.
Höhere passive Energiebereitstellung
Neben der „aktiven Steifigkeit“ der Muskulatur spricht man auch von der „passiven Steifigkeit“, also jener der Sehnen (Tendon Stiffness). Einfach vorstellen kann man sich das mithilfe eines Gummibandes, das man in die Länge zieht. Je steifer und dicker das Gummiband ist, umso mehr Energie wird notwendig, um es zu verformen. Lässt man das Gummiband dann auf einer Seite los, zieht es sich in seine Ausgangslänge zurück. Ein kräftigeres Band springt dabei mit mehr Kraft zurück – es war ja auch mehr Kraft notwendig, es zu verformen – als ein dünneres. Für Athleten bedeutet dies, dass eine kräftige Sehne zu höherer passiver Energiebereitstellung im Dehnungsverkürzungszyklus führt als eine schwächere bei einem schlechter trainierten Athleten. Zu jener passiven Steifigkeit sollten auch nichtkontraktile Elemente der Muskulatur gezählt werden, die bei Dehnung Energie speichern und bei Verkürzung wieder freigeben. Zu diesen Elementen zählt etwa das größte aller Muskelproteine: Titin. Auch wenn dessen Rolle noch nicht ganz geklärt ist, gilt als gesichert, dass es eine wichtige Rolle in Bezug auf die Kraftproduktion spielt. Grundsätzlich tragen die elastischen Komponenten der Muskulatur, zu denen Titin gehört, etwa 70–75 Prozent zur konzentrischen Krafterhöhung im Dehnungsverkürzungszyklus bei.
Geringere Hysterese bei Trainierten
Neben einer hohen Steifigkeit – aktiv (Muskulatur) wie passiv (Sehnen und nichtkontraktile Elemente der Muskulatur) – unterstützen eine gute Elastizität (unter hoher Last) und eine geringe Hysterese der Sehnen die Kraftproduktion bzw. die athletische Leistungsfähigkeit bei schnellen Bewegungen. Hysterese bezeichnet dabei den Energieverlust, den eine Sehne zwischen der Verlängerung und der anschließenden Verkürzung aufweist. Forschungen, von denen es noch recht wenige gibt, zeigten zwar unterschiedliche Ergebnisse, deuten aber auf eine geringere Hysterese bei trainierten Personen im Vergleich zu untrainierten hin. So zeigte 2017 eine Studie, dass Skispringer und Läufer eine etwa um ein Drittel verringerte Hysterese gegenüber der Kontrollgruppe besaßen, während dies nicht auf Wasserpolospieler zutraf. Die Ergebnisse weisen schon auf die unterschiedlichen sportspezifischen Anforderungen und das von den Athleten unterschiedlich durchgeführte Training hin.
„Elastizität“ bezieht sich auf die Fähigkeit von Sehnen, sich unter hoher Last zu verlängern. Eine Sehne muss also gleichzeitig ausreichend steif und elastisch sein. Dies scheint widersprüchlich zu sein, doch nur auf den ersten Blick. Eine Sehne kann leicht zu verformen, aber gleichzeitig wenig elastisch sein. Eine solche Sehne würde selbst bei geringer Krafteinwirkung und kleiner Range-of-Motion Schaden nehmen. Für ein optimales Funktionieren des Muskel- Sehnen-Apparates muss die Sehne also verformbar (elastisch) und stark (steif) genug sein. Folglich bleibt nun die Frage: Welche Trainingsmethoden führen zu den gewünschten Adaptionen, sodass ein Sportler seine athletischen Fähigkeiten optimal trainieren kann?
Isometrisches Training für die Sehnenfunktion
Nicht zu Unrecht hat das isometrische Training in den letzten Jahren eine verstärkte Popularität erlangt, denn es ist vergleichsweise sicher durchzuführen und führt zu einer geringeren Belastung der Gelenke. Ebenso kann durch maximale isometrische Kontraktionen eine höhere Anzahl an Muskelfasern rekrutiert werden als in exzentrischen und konzentrischen. Laut neuesten Metastudien können durch den Einsatz von isometrischen Trainingsmethoden Adaptionen im Bereich der Hypertrophie, der Maximalkraft und der Rate der maximalen Kraftentwicklung (RFD) erzielt werden. Allerdings wurden nicht nur physiologische Anpassungen registriert, sondern auch Effekte auf KPIs (Key Performance Indicators) von Top-Athleten, also auf für den Sportler wichtige Kennzahlen, die als Basis des sportlichen Erfolgs dienen. So konnten Top-Radfahrer ihre maximale Power erhöhen und professionelle Kajakfahrer wichtige Sekunden von ihrer Zeitfahrdauer durch die Integration hochintensiven isometrischen Trainings nehmen.
Letzten Endes entscheiden über den Trainingserfolg bzw. die erreichte Adaption immer die Programmierung der Trainingsvariablen und die gegebene Situation (z. B. die Verfassung des Athleten, der Zeitpunkt in der Saison etc.).
Intensives isometrisches Training
Von besonderem Interesse im Training von gesunden Athleten sind hochintensive isometrische Trainingsmethoden. Die Intensität bezieht sich dabei auf die Kraftanstrengung, die der Athlet aufbringt, um den unüberwindbaren Widerstand zu bewegen. Im Englischen wird diese Form des isometrischen Trainings auch als „Overcoming Isometrics“ bezeichnet. Laut aktuellen Studien führt ein Training mit einer Intensität von über 90 Prozent zu vielfältigen positiven Adaptionen auf mechanische (Steifheit), morphologische (Sehnendurchmesser) und materielle (Elastizität) Eigenschaften der Sehnen, die zwei der vier gewünschten Adaptionen darstellen. Der unüberwindbare Widerstand kann durch verschiedenes Equipment realisiert werden. So reicht etwa ein Spanngurt oder eine Wand aus, gegen die sich der Athlet stemmen muss. Natürlich besteht aber auch die Möglichkeit, ein solches Training im Studio durchzuführen. In diesem Fall kann sich z. B. der Athlet mit einer Langhantel auf dem Rücken (Squat-Muster) von unten gegen Pins stemmen und dabei die gewünschte Kraftanstrengung aufbringen.
M. triceps surae
Eine interessante und einfach zu implementierende Möglichkeit, die Intensität des Trainings zu quantifizieren, stellen die Autoren Radovanovic et. al (2021) in ihrem Artikel über das Training des Triceps surae vor. Durch den Einsatz einer Kofferwaage erhält der Athlet direktes Feedback über die Höhe der aufgewendeten Kraft. Im Grunde genommen handelt es sich um eine Messstation zur Ermittlung der isometrischen Kraft. In Zusammenhang mit dem Athletiktraining ist dies bereits des Öfteren mit der Übung des Isometric Mid-Thigh Pull zu sehen, der im Kontext mit der Sprung- und Sprintfähigkeit von Athleten steht. 2018 wurde der Einsatz einer kostengünstigen Kranwaage gegenüber einer Kraftmessplatte validiert.
Plyometrisches Training zur Erhöhung der aktiven Steifigkeit
Eine weitere wünschenswerte Adaption – die aktive muskuläre Steifigkeit – lässt sich durch plyometrisches Training erzielen, nicht aber durch isometrisches. Dies scheint ebenso für die Elongationsfähigkeit von Sehnen in Hochgeschwindigkeitsbewegungen zu gelten. Dabei sind die plyometrischen Übungen jenen Anforderungen an den Dehnungsverkürzungszyklus anzupassen, dem der Athlet in seiner Sportart ausgesetzt ist. Ein Sprinter ist in seiner Disziplin kürzeren Dehnungsverkürzungszyklen ausgesetzt als etwa ein Tennisspieler, der komplette Richtungswechsel ausführen muss. Daher sind allgemeingültige Aussagen hinsichtlich der Gestaltung des plyometrischen Trainings schwierig. Grundsätzlich sollten Intensität und Volumen aufeinander abgestimmt und Faktoren wie z. B. Trainingserfahrung, Zeitpunkt im Wettkampfkalender und Verletzungsgeschichte beachtet werden.
Noch keine Einigkeit
Klare Vorschläge für die Implementierung plyometrischen Trainings hängen von zu vielen Faktoren in die Trainingsplanung ab und es gibt in der Literatur noch keine Einigkeit über die Quantifizierung plyometrischen Trainings bzw. seiner Intensität. Das Beste, was Trainer tun können, ist daher, sicherzustellen, dass der Athlet im Training einer progressiven Belastungssteigerung unterworfen wird. Auf diese Weise ist eine Verbesserung seiner athletischen Leistungsfähigkeit ebenso wie eine Reduktion von Verletzungsrisiken möglich. Eine zu aggressive Progression oder eine voreilige Steigerung des Volumens kann hingegen zu einer negativen Adaption oder sogar noch schlimmer zu Verletzungen führen.
Die dargestellten Trainingsmethoden erzeugen im Zusammenspiel eine sehr gute Synergie. Während isometrisches Training die Sehnenfunktion verbessert, hilft plyometrisches Training bei der Entwicklung von muskulärer Steifigkeit und Elongationsfähigkeit von Sehnen unter hoher ballistischer Belastung. Beide Trainingsmethoden können für sich allein nicht die vielfältigen Anpassungen schaffen, die Athleten in explosiven Sportarten brauchen. Erst wenn sie kombiniert werden, entfalten sie ihre volle Wirkungskraft.
Fazit
Viele der Beobachtungen zum Verhalten vom Muskel-Sehnen-Komplex bei hohen Bewegungsgeschwindigkeiten – kurzen Dehnungsverkürzungszyklen mit hohen Gelenkgeschwindigkeiten – beruhen auf Untersuchungen der Achillessehne, da andere Muskel-Sehnen-Komplexe schwieriger zu beobachten sind. Auch wenn es möglich ist, dass sich andere ähnlich verhalten, kann man nicht ausschließen, dass die obigen Darlegungen vor allen Dingen für diese anatomische Struktur gelten. Weitere Forschungen werden notwendig sein, um erhöhte Klarheit in dieser Hinsicht zu schaffen.
Quelle und Bildquelle: Bodylife
Veröffentlicht am: 2. August 2023